Skulpturen der christlichen Ikonographie. Menschenbilder von Dr. Wilfried Koch
 

PROPHET

2001 × 285 cm × Gewicht 1100 kg

 

   

Nur wenige Propheten des Alten Testaments waren auch Seher. In früher Zeit traten sie einzeln oder auch zu Hunderten als eine ekstatisch-religiöse Berufsgruppe auf (1 Kön 18,4). Unter ihnen gab es Astrologen, Schauspieler, Gaukler, Orakelpriester (Micha 3,11).

Die "klassischen" Propheten wirkten als patriotische Ideologen mit realistischer Einschätzung der politischen und religiösen Situation des jüdischen Volkes. Als Prediger und Berater, aber auch als politische Drahtzieher - z.B. durch heimliche Salbungen von Gegenkönigen - nahmen sie starken Einfluss auf die aktuelle Politik (2 Kön 9,1-10).

Ihre Weissagungen sind in Wahrheit kurzfristige Prognosen mit starkem Warn- und Drohcharakter, um Unheil von Volk und Staat abzuwenden. Dabei bedienen sie sich der Legitimation durch göttliche Inspiration: "Und das Wort des Herrn geschah zu mir und sprach..." und "O Land, o Land, höre das Wort des Herrn!" Ihren Aussagen verleihen sie machtvolle, oft auch poetische Sprachgewalt (Jer 9,20f).

Die Tragik des Propheten liegt in seiner notwendigen Intoleranz. Sie richtet sich aufrüttelnd an das glaubensschwache Volk, wendet sich aber auch kritisch gegen die Staatsführer, in deren Auftrag er predigt.

Dem Volk ist er lästig, den Herrschenden gefährlich. Von beiden Seiten angefeindet, aber unbeugsam in seiner Strenge, drohen ihm Verbannung, Folter, Hinrichtung (Jer 2,30;  Luk 13,34). Die Darstellung der Ermordung eines Propheten ist nicht so sehr eine religiöse als vielmehr eine allgemein gültige, immer aktuelle Aussage über das Schicksal mutiger Nein-Sager, die einer blinden Menschheit die Augen öffnen.

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